Guten Tag Herr Räuber, lassen Sie uns mit dem großen Ganzen starten! Die DNB blickt zum Jahresende 2022 auf einen stolzen Bestand von über 46 Millionen Medienwerken in über 400 Kilometern Regalböden. Während man zu Hause Bücher aussortieren kann, kommt bei der DNB nichts weg. Deshalb steht in Leipzig bald der fünfte Erweiterungsbau an. Was können Sie uns zum aktuellen Stand berichten?
Die Bedarfsbegründung ist akzeptiert, sodass jetzt die Bauplanungen begonnen haben. Wir haben ausgerechnet, dass wir rund 17.000 Quadratmeter Fläche brauchen für unseren medialen Zuwachs. Es stellen sich also die Fragen: Was können wir hier realisieren? Und wie wird der Erweiterungsbau konkret aussehen? Dafür wird es als Nächstes einen Architekturwettbewerb geben. Hierbei werden Architekt*innen dazu eingeladen, einen Entwurf für das neue Gebäude zu erstellen. Mit den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs wissen wir dann, wie der Neubau am Ende aussehen wird.
Und die DNB gibt keinerlei stilistische Vorgaben?
Natürlich wollen wir auch, dass der Erweiterungsbau ins Stadtbild passt – wir können hier nicht einfach ein Hochhaus hinstellen und damit im Prinzip die gesamte Silhouette zerstören. Deshalb reden auch die Stadt und die Stadtplanungsämter mit, schließlich entsteht der Neubau in einer relativ prominenten Lage. Letztlich geht es uns aber stets um möglichst viel Aufnahmekapazität. Uns interessiert immer: Wie viel kriege ich da rein?
Wann wird der fünfte Erweiterungsbau bezugsfertig sein?
Wenn alle unsere Pläne aufgehen, sollte das 2028/2029 der Fall sein.
Und bis wann werden die Kapazitäten des neuen Gebäudes ausreichen?
Das ist ein bisschen ein Spiel mit der Glaskugel, was wir hier betreiben. Wir haben die drei Kilometer Regalböden, die wir in Leipzig pro Jahr brauchen, einfach mal in die Zukunft fortgeschrieben, denn entgegen aller Unkenrufe wird nicht weniger Papier gedruckt. Wir erleben aktuell, dass unser vierter Erweiterungsbau erst seit zehn Jahren steht – und schon fangen wir an, über den fünften zu reden. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dieses Planungsraster zu durchbrechen und jetzt auf 30 Jahre Kapazität zu gehen.
Lassen Sie uns jetzt auf den Standort Frankfurt am Main zu sprechen kommen. Auch hier werden die derzeitigen Kapazitäten nicht ewig reichen. Was können Sie uns hierzu erzählen?
Im Frankfurter Haus haben wir eine sehr komfortable Lage. Das Haus ist mit seinen 26 Jahren vergleichsweise neu, zudem wurden damals sehr vorausschauend für 50 Jahre Kapazitäten geplant. Außerdem haben wir in Frankfurt ein sehr großzügig ausgelegtes Magazin mit breiten Gängen für Elektrokarren, die gar nicht mehr zum Einsatz kommen. Das heißt, wir können den vorhandenen Bestand verdichten, um noch mehr Platz zu gewinnen. In Frankfurt brauchen wir Stand heute frühestens Ende der 40-er Jahre dieses Jahrhunderts einen Erweiterungsbau.
Und was ist mit dem Grundstück in Frankfurt, das laut Bebauungsplan der Stadt als „Sondernutzung Bibliothek“ ausgewiesen ist?
Dieses Grundstück haben unsere Altvordern in weiser Voraussicht gesichert. Wir haben es natürlich im Blick für die Erweiterung unserer Speicherflächen – und werden es auch nicht hergeben. Aber weil wir es erst später brauchen, wollen wir es jetzt einer Zwischennutzung zuführen. Schließlich wäre es schade, das Grundstück einfach brach liegen zu lassen. Deshalb tun wir uns mit Hochschulen in Frankfurt zusammen und errichten auf dem Grundstück ein digitales Studienzentrum. Hierfür entsteht aktuell ein Nutzungskonzept, deshalb kann ich noch nicht konkreter werden.
Lassen Sie uns jetzt ein wenig reinzoomen und einen Blick auf die Bauarbeiten in den bereits bestehenden Gebäuden werfen. So wurde zum Beispiel eine BOS-Funkanlage installiert. Was hat es damit auf sich?
Vereinfacht ausgedrückt ist das für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) der Sicherheitsfunk. Wir haben ein weit verbreitetes Netz von Antennen und Verstärkern bei uns installiert, damit sich Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte in den Tiefen unserer Magazine verständigen können. Wer mit seinem Handy bei uns durchs Magazin geht, hat nämlich relativ schlechten bis gar keinen Empfang. Und das stört natürlich die Feuerwehr, weil die sich über Funk verständigen. Wo keine Kommunikation möglich ist, gehen sie verständlicherweise aus Gründen der Eigensicherung nicht hin. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass sie sich in jedem Winkel des Hauses verständigen können – und genau das gewährleistet jetzt die Sicherheits-Funkanlage.
Lassen Sie uns jetzt auf den Themenbereich Benutzerfreundlichkeit zu sprechen kommen. So wurde zum Beispiel die Besuchergarderobe in Leipzig komplettiert. Wie ging das vonstatten?
Ja, unsere Garderobe, an der die Besucher*innen Kleidung und Taschen abgegeben haben, war mächtig in die Jahre gekommen. Da fehlten Türschlösser an den Schließfächern oder sie funktionierten nicht richtig. Das war kein schöner Anblick und nicht sehr benutzerfreundlich. Deshalb haben wir jetzt eine neue Garderobe mit einem elektronischen Schließsystem gebaut, komplett zur Selbstbedienung.
Und wie genau funktioniert diese?
Im Prinzip über drei Wege: mit dem DNB-Benutzungsausweis, per selbst ausgedachtem Pin – beispielsweise für Veranstaltungsgäste – oder per App. Diese App war für uns gewissermaßen der „Einstieg“, um weitere Ideen, die per App möglich sind, auf den Weg zu bringen. So könnte man mithilfe der App zum Beispiel Informationen über das Haus verbreiten, eine Art Navigationssystem für die Bibliotheken einrichten oder die Speisepläne der Cafeterias anzeigen lassen – all das ist in Entwicklung und es ist ziemlich aufwändig. Ich gehe außerdem davon aus, dass wir unsere Benutzungsausweise irgendwann auch parallel auf dem Smartphone als Online-Ausweis anbieten.
Es gibt also zahlreiche digitale und analoge Bauvorhaben! Welche weiteren sind für die Leser*innen von Interesse?
Wir haben vor, in beiden Häusern unsere konventionelle Medienausleihe umzustellen: Wir wollen das System mit der Theke, an der bisher Mitarbeitende die Medien ausgegeben haben, umstellen. Das soll so funktionierten, dass unsere Mitarbeitenden die bestellten Bücher in ein Fach legen, das die Benutzer*innen mit ihrem Benutzungsausweis öffnen können. Die Basisnutzung – die Ausgabe der Bücher – können wir somit zeitunabhängig gestalten. Damit können wir auch Öffnungszeiten für die Nutzer*innen zulassen, die derzeit für unser Personal sehr unattraktiv sind. Und die Mitarbeitenden müssen nur noch zu bestimmten Servicezeiten arbeiten, an denen sie auch wirklich gebraucht werden.
Wann wird das Ganze umgesetzt?
Die ersten Prototypen werden im Herbst 2023 in unsere Häuser kommen. Dafür müssen wir allerdings relativ viel umbauen in den Benutzungsbereichen. Das nehmen wir gleich zum Anlass, auch unsere Infotheken, die überall verstreut sind, umzubauen. Die Nutzer*innen brauchen nämlich vielmehr einen zentralen Anlaufpunkt, eine zentrale Servicetheke. Hier können sie alle ihre Fragen loswerden und werden im Fall der Fälle an entsprechendes Fachpersonal weitergeleitet. Außerdem wollen wir – je nach Gegebenheiten in den zwei Häusern – Einzel- und Gruppenarbeitsräume einrichten.
Und wir gestaltet sich der zeitliche Horizont dieses Vorhabens?
In Leipzig fangen wir im Herbst 2023 damit an und werden sicherlich bis zum Spätsommer 2024 damit beschäftigt sein. Das hängt auch damit zusammen, dass wir den ganzen Lesesaal sanieren müssen – das machen wir dann in einem Abwasch. Und in Frankfurt wird es spätestens Sommer 2024 losgehen und bis in den Winter 2025 dauern. Hinterher können wir zu Recht sagen: Wir haben eine schöne, funktionierende Benutzungswelt in beiden Häusern!
Letzte Änderung:
19.09.2023