Mehr digital erschließen
Foto: Stephan Jockel
Medienwerke nutzbar machen: die Erschließung
Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt als Gedächtnis der Nation alle Medienwerke in Schrift, Bild und Ton, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden – ohne Wertung, im Original und lückenlos. Doch Sammeln allein reicht nicht. Auch die Erschließung der gesammelten Medienwerke gehört zu den gesetzlichen Aufgaben der DNB – nur so können Nutzer*innen von den Medienwerken profitieren.
Erschließung ist die Basis für das Finden und Benutzen der Bestände im Katalog. Erschließung bedeutet, ein Medienwerk – ein Buch, eine Zeitschrift, eine Website, eine Karte oder Musikalie – durch Metadaten so zu beschreiben, dass es in einem Online-Katalog oder einer Datenbank gefunden wird. Aus den erzeugten Daten entsteht die Deutsche Nationalbibliografie.
Wie erschließt die Deutsche Nationalbibliothek?
Die Deutsche Nationalbibliothek bedient sich verschiedener Verfahren. Die Sammlungen werden formal und inhaltlich erschlossen. Die Formalerschließung ermöglicht die Suche nach einzelnen Medienwerken – mit Angaben wie Personen, Titel, Verlag, ISBN, ISSN, URN, DOI. Die Inhaltserschließung strukturiert die Bestände thematisch mit Schlagwörtern der GND, Gattungsbegriffen, DDC-Sachgruppen sowie DDC-Notationen. Für die Erschließungsarbeit werden Regelwerke, Normdaten und Klassifikationen verwendet.
Durch die kombinierte Herangehensweise in der Inhaltserschließung werden unterschiedliche Kundenanforderungen bedient. Interessierte können sich mit natürlicher Sprache – sprich per Schlagwort – auf die Suche machen sowie von der thematischen Gruppierung der Publikationen mithilfe einer bibliothekarischen Klassifikation profitieren (Beispielnotation: 610 Medizin).
Ohne Menschen geht es nicht
Physisch vorliegende Medienwerke werden in erster Linie intellektuell katalogisiert, also von Mitarbeitenden der DNB überwiegend ohne Zuhilfenahme maschineller Verfahren erschlossen. Dies erfolgte im Jahr 2023 für mehr als 153.000 Medienwerke; eine vertiefende inhaltliche Erschließung mit Schlagwörtern und/oder Notationen der Dewey-Dezimalklassifikation erhielten rund 42.000 Publikationen. Für die Nachweise digitaler Objekte werden Daten der abliefernden Verlage und Urheber verwendet.
Ein Teil der inhaltlichen Erschließung von Medienwerken wird maschinell durchgeführt – und das bereits seit 2012. Damit wird eine systematische inhaltliche Erschließung von Publikationen wie einzelnen Online-Artikeln möglich, die sonst nicht berücksichtigt werden könnten. Die maschinelle Erschließung umfasst die Klassifikation mit Hauptsachgruppen wie 610 Medizin und DNB-Kurznotationen wie 612.1 Blut und Kreislauf sowie die Beschlagwortung mit dem Vokabular der GND. Mit der in der DNB entwickelten Erschließungsmaschine (EMa) werden insbesondere Netzpublikationen vollautomatisch und tagesaktuell inhaltlich erschlossen. In der EMa setzt die DNB auch Algorithmen aus dem Open-Source-Toolkit Annif ein, das von der Finnischen Nationalbibliothek entwickelt wurde.
Rasantes Wachstum bei maschineller Erschließung
Die DNB beteiligt sich aktiv an den stetig wachsenden Communities, die sich rund um das Thema maschinelle Erschließung gebildet haben, z. B. in der Annif User Group. Im Jahr 2023 wurden ca. 1.328.600 Publikationen mit Hauptsachgruppen, ca. 1.062.700 Publikationen mit DDC-Kurznotationen und ca. 167.500 Publikationen mit GND-Schlagwörtern maschinell erschlossen. Insgesamt bedeutet das eine Steigerung von ca. 60 % gegenüber der maschinellen Erschließung im Jahr 2022.
Alles unter einer Adresse: Neue Plattform des STA
Ohne gemeinsame Standards geht es nicht: Um das volle Potenzial der großen Datenmengen im geistes- und kulturwissenschaftlichen Bereich auszuschöpfen, braucht es gemeinsame Standards, Referenzpunkte und Anwendungsregeln. Der Standardisierungsausschuss (STA) sorgt hierbei für Einheitlichkeit. 2023 ging die Dokumentationsplattform des Standardisierungsausschusses (STA-Dokumentationsplattform) online.
Das Ziel der Plattform? Alle Regelungen und Dokumentationen zur Erschließung und zur Arbeit mit der Normdatenbank GND komfortabel und maschinenlesbar zugänglich machen – und das alles unter einer Adresse. Derzeit umfasst die Plattform den Standard RDA DACH und die GND-Formatdokumentation. Die DNB wendet den revidierten Erschließungsstandard RDA DACH seit dem 4. Quartal 2023 im Rahmen ihrer Katalogisierung an.
Inhalte einfacher durchsuchen
Die Standards sind miteinander verzahnt und präsentieren sich erstmals gemeinsam in einer Umgebung. Die Erschließenden profitieren von der Durchsuchbarkeit der Inhalte, der übersichtlichen Navigation und verschiedenen Einstiegen in die Erfassung, etwa über Elemente, Ressourcentypen oder Anwendungsprofile. Im Laufe des Jahres 2024 wird die Plattform im Bereich von RDA DACH um weitere Ressourcentypbeschreibungen ergänzt. Außerdem werden die Standards zur Erfassung von GND-Normdaten in die Plattform integriert. Die dafür notwendigen Grundlagen und Konzepte erarbeitet ein Projektteam innerhalb der GND-Kooperative.
Bessere Zusammenarbeit der Fach- und Arbeitsgruppen
Neben dem Aufbau der Plattform wurde an einer Redaktionsumgebung für die STA-Dokumentationsplattform gearbeitet. Diese soll es den Fach- und Arbeitsgruppen des STA ermöglichen, Änderungen, Ergänzungen oder Spezifizierungen der Erfassungsregeln zu planen, auszuarbeiten und untereinander abzustimmen. Die daraus hervorgehenden Änderungen an den Standards sollen in halbjährlich geplanten Releases auf der Plattform veröffentlicht werden. Durch die STA-Dokumentationsplattform und die Redaktionsumgebung wird die Zusammenarbeit der Fach- und Arbeitsgruppen an den kooperativ genutzten und gepflegten Standards künftig entscheidend unterstützt.
Hier geht’s zur STA-Dokumentationsplattform.
Hier finden Sie weitere Informationen zum RDA sowie zur Gemeinsamen Normdatei (GND).
Neues von der Gemeinsamen Normdatei
Einen komfortablen und umfassenden Zugang zur Gemeinsamen Normdatei (GND) und ihrem semantischen Netz: Das bietet der GND-Explorer seit 2023 für alle Anwender*innen. Und die Arbeit am GND-Explorer geht weiter. Ein Ziel des Ausbaus? Die Verknüpfung zu anderen Normdateien anzeigen.
Normdaten repräsentieren und beschreiben Entitäten – zum Beispiel Personen, Orte oder Werke, die in Bezug zu kulturellen und wissenschaftlichen Sammlungen stehen. Der Vorteil der Normdaten? Sie erleichtern die Erschließung, bieten eindeutige Sucheinstiege und vernetzen unterschiedliche Informationsressourcen.
Doch der Datenschatz der GND ist nicht allein Bibliotheken vorbehalten: Auch Museen, Archive, Denkmalbehörden oder wissenschaftliche Einrichtungen machen sich diesen zunutze. Sogenannte GND-Agenturen helfen den verschiedenen Institutionen dabei, aktiv an der GND-Struktur mitzuwirken. Dank der GND-Agenturen sind die Institutionen beispielsweise in der Lage, neue Datensätze anzulegen. Im Rahmen des Projektes GND4C sind einige dieser Agenturen entstanden.
Wie gründet man eine GND-Agentur?
Im vergangenen Jahr haben einige weitere Einrichtungen damit begonnen, GND-Redaktionen und GND-Agenturen für ihre anwendenden Gruppen aufzubauen. Die Agentur- und Redaktionsvorhaben werden jeweils eng von der GND-Zentrale begleitet und durch Materialien wie die „Hinweise zur GND-Agentur-Gründung" unterstützt. Zu den aktuellen Initiativen gehören etwa der Aufbau einer GND-Agentur für Forschende des NFDI Konsortiums Text+ an der SUB Göttingen oder der Aufbau einer GND-Redaktion für Provenienzerschließende an der Staatsbibliothek zu Berlin.
Normdaten im musealen Kontext
Die GND-Zentrale engagiert sich außerdem beim Aufbau von Interessengruppen für weitere Communities. Im Oktober 2023 hat sich die Interessengruppe „Museen und Sammlungen“ gegründet. Diese treibt den Einsatz von Normdaten im musealen Kontext voran und bündelt die Bedarfe ihrer Community gegenüber der GND. Zudem fand das 3. GND-Forum Archiv statt. Themen waren die Nutzung der GND im Archivbereich – einschließlich entsprechender Tools und Technik – sowie die Entwicklung archiv-spezifischer Relevanzkriterien.
In diesem Kontext fand im Oktober 2023 auch ein Workshop mit Unternehmen für Erschließungssoftware statt. Ziel war es, die Nutzung der GND in der Erschließungsarbeit in Museen, Sammlungen und Archiven besser zu unterstützen.
30 Jahre ILTIS: ein Programm mit Geschichte und Zukunft
Abbildung: DNB
ILTIS ist die zentrale bibliografische Anwendung der Deutschen Nationalbibliothek – und das seit nunmehr 30 Jahren. Doch während der tierische Namensvetter des Programms maximal halb so alt werden kann, ist ILTIS nach wie vor sehr vital. Um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, hat das Katalogisierungssystem allerdings einige Veränderungen durchlaufen. Ein kurzer Rückblick in die Geschichte von ILTIS.
Vor 30 Jahren, am 6. Dezember 1993, fiel der Startschuss für die produktive Einführung von ILTIS. Obwohl der Nikolaustag in den Niederlanden ein Feiertag ist, wurden die Kolleg*innen der Deutschen Bibliothek von den PICA-Kollegen aus Leiden damals tatkräftig unterstützt. Die zentrale bibliografische Anwendung ILTIS der Deutschen Nationalbibliothek basiert auf Software der 1969 gegründeten niederländischen Pica Foundation mit Sitz in Leiden.
Im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung wurde dem Pica-System 1990 der Zuschlag erteilt. Im Jahr 1991 wurde ein entsprechender Partnerschaftsvertrag mit Pica als wirtschaftlich und funktional überzeugendste Lösung abgeschlossen. Aus der Pica Stiftung wurde 1997 die Pica B.V. (in etwa vergleichbar mit einer deutschen GmbH), im Jahr 2002 schloss man sich mit OCLC EMEA (Europe / Middle East / Africa) zu OCLC PICA zusammen – und endete 2007 in der gemeinsamen Organisation OCLC.
Von Pascal zu Linux: einmal runderneuert
Namensgeber der neuen bibliografischen Anwendung war das Projekt zur Einführung des Integrierten Literatur-, Tonträger- und Musikalien-Informations-Systems, kurz: ILTIS. Es wurde in der (damaligen) DDB maßgeblich von der IT-Abteilungsleiterin Christine Boßmeyer, Renate Polak-Bennemann und Hans Liegmann verantwortet. Was im Dezember 1993 mit einem TANDEM-Großrechner Marke „mehrtürige Gefrierkombination“ und diversen Programmiersprachen mit lustigen Namen wie Pascal und Fortran sowie der Kommunikation über FAX-Grenzen hinweg begann, hat sich 30 Jahre später runderneuert: unter dem Open-Source Betriebssystem Linux, der Programmiersprache C und in der neuesten Version mit einer Open-Source Datenbank.
Auch die Kommunikation zwischen PICA/OCLC und DDB/DNB hat sich von der Anforderungsübermittlung via FAX hin zu einer CBS-Mailingliste inklusive Bugtracking-Ticketsystem entwickelt. Als besonderer Meilenstein der Weiterentwicklung kann die Katalogisierung der Titeldaten in der DNB nach RDA (Resource Description and Access) ab dem 1. Oktober 2015 genannt werden. Die langjährige DNB-Maxime „Nur was sich ändert, bleibt" hat in ILTIS/CBS ihren Musterschüler gefunden.
Migration auf ein neues System
Neben der zentralen bibliografischen Komponente CBS, Central Bibliographic System, gehören auch die Katalogisierungswerkzeuge WinIBW und WebCat sowie die Lokalsysteme für Leipzig und Frankfurt zu ILTIS. In den nächsten Jahren betreibt die Deutsche Nationalbibliothek die bereits begonnene Konsolidierung von ILTIS weiter, um die Migration auf ein neues Bibliotheksmanagementsystem vorzubereiten. Bisher wurde ILTIS weder in die Cloud umgesiedelt, noch kann derzeit auf die alteingesessene WinIBW als Katalogisierungsclient verzichtet werden. Doch die Schlussbemerkung des humoristischen Artikels zum 20-jährigen Jubiläum – in Anlehnung an die Fähigkeiten des tierischen Artgenossen – ist weiterhin gültig: „Alles in allem gehen wir fest davon aus, dass ILTIS sich weiterentwickeln wird, und eines schönen Tages kann vielleicht auch unser ILTIS ‚gut schwimmen und tauchen‘!“
Letzte Änderung:
04.06.2024