Sammlungen digital präsentieren
Foto: Stephan Jockel
DH-Aktivitäten: Update vom digitalen Datenschatz
„Digital Humanities“ (DH), auch „Digitale Geisteswissenschaften“, sind eine recht junge wissenschaftliche Disziplin, deren Bedeutung im Zuge der Digitalisierung stetig zunimmt. Die Deutsche Nationalbibliothek verfolgt diese Entwicklung aufmerksam und ist auf verschiedenen Ebenen involviert – nicht zuletzt als Archiv von Beständen. So bietet sie ihre Datenbestände und digitalen Sammlungen für Wissenschaft und Forschung sowie für experimentelles und kreatives Arbeiten an. Durch Calls und Stipendien unterstützt die DNB die DH auch in 2023.
DH-Call
2023 wurde der DH-Call zum vierten Mal erfolgreich ausgeschrieben. Die DNB unterstützt durch diese jährliche Ausschreibung Vorhaben aus Forschung und Wissenschaft. Der Call adressiert insbesondere Projekte, die mit urheberrechtlich geschützten Beständen arbeiten möchten und unterstützt diese durch die Bereitstellung von Metadaten, digitalen Objekten und Infrastrukturen. Dabei gelten die Regelungen des § 60d UrhG. Es ist außerdem möglich, analoge Objekte in begrenztem Umfang digitalisieren zu lassen. Die folgenden Projekte wurden im Rahmen der Ausschreibung 2023 bewilligt:
- Dominik Dungel (Universität Leipzig): Neomodalität versus Erneuerung? Fragen zu Stilbildung und Instrumentalisierung von Kirchenmusik in den 1920er und -30er Jahren aus wissenssoziologischer Perspektive.
- Berenike Herrmann und Daniel Kababgi (beide Universität Bielefeld): descSpace – Untersuchung des diachronen Wandels von Ort- und Raumbeschreibungen in der Prosa-Literatur von 1800 bis heute.
- Elena Mayer (Universität Leipzig): Konflikte in der autonomen Frauenbewegung.
- Jana-Katharina Mende (Universität Halle): Code-Switching codieren: Mehrsprachige Literatur digital annotieren und analysieren (1820–1920).
DH-Stipendien
Die DH-Stipendien, die das Angebot im Bereich der Digital Humanities erweitern, wurden 2023 zum zweiten Mal ausgeschrieben: Diese richten sich insbesondere an Nachwuchswissenschaftler*innen und bieten die Möglichkeit, ein eigenes Forschungsvorhaben mit den freien Daten der DNB umzusetzen. Hierfür erhalten die Stipendiat*innen einen monatlichen Zuschuss zum Lebensunterhalt, eine Begleitung ihrer Projekte durch Projektpat*innen aus der DNB sowie Unterstützung bei der Sichtbarmachung der erzielten Forschungsergebnisse. Auch eine Vernetzung untereinander und mit anderen Datenexpert*innen ist gewährleistet. 2023 wurden vier Projektideen ausgewählt und im August 2023 bei einem Auftakt-Workshop in Frankfurt vorgestellt:
- Janna Kienbaum: Mehr als die Summe ihrer Teile – Durch die Verbindung von Datensilos zur Erforschung der Judaica in der DNB.
- Philipp Köbe: Medizin & Gesundheit in der Science-Fiction Literatur: eine maschinelle Datenanalyse.
- Can-Elliot Sachs: Ab wann zeigt sich ein Umweltbewusstsein in der deutschen Publikationslandschaft des Datenkorpus der DNB?
- Benjamin Schnabel: Extraktion fehlender Entitäten mittels Natural Language Processing zur Ergänzung von Daten im Bereich der Judaistik.
Das DNBLab – Digitale Ressourcen noch breiter nutzbar
Das DNBLab: der zentrale Anlaufpunkt für die Präsentation, den Zugriff und die Nachnutzung der digitalen Ressourcen. Interessierte können die Daten, freien digitalen Objekte und Volltexte seit 2020 über verschiedene Schnittstellen sowie Download-Möglichkeiten beziehen. Online-Coding-Tutorials zeigen, wie das funktioniert – und bieten einen ersten Einstieg in die maschinelle Datenverarbeitung und -analyse. Zudem bietet das DNBLab verschiedene Praxisbeispiele zum Stöbern sowie regelmäßig stattfindende virtuelle Einführungstermine an. Hier werden die verschiedenen Bereiche des Labs vorgestellt – Fragen stellen erwünscht! 2023 wurde das DNBLab weiter ausgebaut und professionalisiert.
Neben der Weiterentwicklung des Angebots lag der Fokus auf Bekanntmachung und Vernetzung. Lehrkooperationen wurden ausgebaut und zu den interaktiven Einführungsveranstaltungen neue Vermittlungsformate ausprobiert. Nach einem erfolgreichen DNBLab-Workshop bei der BiblioCon 2023 folgten weitere praxisbezogene Angebote bei Tagungen und Kongressen. Mit einem Stand beim Historikertag in Leipzig konnten wieder viele Interessierte angesprochen und Kontakte geknüpft werden.
Im Rahmen der Treffen deutschsprachiger Bibliothekslabs wurde die Vernetzung ebenfalls vorangetrieben. So gab es Austauschtermine zum Arbeiten mit Jupyter Notebooks, zur Audio-Analyse sowie zum Einsatz von KI in Bibliotheken. Hier geht das DNBLab aktiv in den Dialog mit Kolleg*innen und experimentiert mit verschiedenen Möglichkeiten zur Unterstützung der Lab-Nutzenden.
Intensivere Nutzung fördern
Als Reaktion auf die in den Veranstaltungen gesammelten Community-Rückmeldungen wurde der Einstieg auf der DNBLab-Website vereinfacht und die angebotenen Datensets kontinuierlich erweitert. Auch konnten Handouts zur Unterstützung bei der Arbeit mit den Daten ergänzt werden, zum Beispiel mit Informationen zur Auswahl geeigneter Bezugswege. Eine ebenfalls hilfreiche Neuerung: eine nach Daten statt Feldnummern sortierte Übersicht der für Forschende relevanten MARC21-xml-Datenfelder.
Immer mehr inspirierende Praxisbeispiele
Die gesammelten Praxisbeispiele (Anwendungen und Skripte) zum Arbeiten mit den Daten wachsen u. a. durch die Veröffentlichung von Forschungsprojektergebnissen aus den DH-Calls und DH-Stipendien. 2023 absolvierten zudem drei Praktikantinnen des Marburger Masterstudiengangs 'Cultural Data Studies' des MCDCI (Marburg Center for Digital Culture and Infrastructure) einen Teil ihres Praktikums an der DNB im DNBLab. Dabei konnten sie in Teilprojekten die im Lab vorhandenen Jupyter Notebooks nutzen, um auf deren Grundlage eigene Skripte zu erstellen. Dies versetzte sie in die Lage, selbst gewählte Fragestellungen mit den Daten der DNB zu beantworten.
Die von Beginn an verfolgte Idee, das DNBLab auch auf das Arbeiten mit urheberrechtlich geschützten Daten in den DNB-Lesesälen zu erweitern, wird vorangetrieben. So werden vorhandene Korpora und standardisierte Tools in Hinblick auf eine mögliche prototypische Bereitstellung für Text- und Datamining in den Lesesälen geprüft.
ZDB in WorldCat: 2 Millionen Titeldaten importiert
Die weltweit größte redaktionell betreute bibliografische Datenbank für fortlaufende Ressourcen? Das ist heute die sogenannte Zeitschriftendatenbank (ZDB). Sie ist das Ergebnis der gemeinschaftlichen Anstrengungen zahlreicher Institutionen – bei weitem nicht nur Bibliotheken – und enthält Titel- und Bestandsdaten aus rund 3.880 Einrichtungen.
Alle kooperativ erstellten Titeldaten und der größte Teil der Bestandsdaten der ZDB stehen kosten- und rechtefrei (CC0 1.0) zur Verfügung. Mit ihren Metadaten fungiert die ZDB als Datendrehscheibe und ermöglicht vielfältige datenbezogene Dienstleistungen.
Seit 2023 liefert die DNB, im Auftrag der ZDB als „Trusted Partner“, Metadaten der ZDB zentral an WorldCat. Dabei handelt es sich um die weltweit größte bibliografische Nachweisdatenbank. Im Rahmen eines gemeinsamen Projekts wurden über 2 Mio. Titeldaten und ein großer Teil der Besitznachweise in den WorldCat importiert und fortlaufend aktualisiert.
Hier geht’s zur Zeitschriftendatenbank!
Olschwanger & mehr: Digitale Zeugnisse des Exils
Spannender Neuzugang auf der virtuellen Ausstellungsplattform „Künste im Exil“: Die Sonderausstellung „Robert Hans Olschwanger. Karikaturist im Exil“ ist online! Interessierte finden jetzt ausgewählte Arbeiten und Dokumente aus dem umfangreichen Nachlass des Werbegrafikers und Karikaturisten. Auch das Europeana-Portal meldet zahlreiche Neuzugänge aus dem Exilarchiv der Deutschen Nationalbibliothek, darunter die eindrucksvollen Aufnahmen des Fotografen Eric Schaal.
Eine Faust trifft Adolf Hitler mitten ins Gesicht, sodass er nach hinten taumelt. Es ist ein kräftiger Schlag, das lässt die Zeichnung deutlich erkennen. „Invasion" ist auf dem Arm zu lesen, vom dem die Kraft ausgeht. Und der Karikaturist lässt uns auch wissen, wann diese erfolgte, nämlich am 6. Juni 1944. Ins Bild gesetzt ist hier die Landung der Westalliierten in der Normandie. Der sogenannte D-Day war der Beginn der Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Diktatur.
„24 Kriegsverbrecher vor Gericht. Und die anderen?“
Szenenwechsel: Eingezäunt von Stacheldraht sind unten links im Bild 24 Männer zu sehen. In der vordersten Reihe deutlich zu identifizieren: Hermann Göring, Oberbefehlshaber der Luftwaffe und Reichswirtschaftsminister, rechts daneben Rudolf Hess, Stellvertreter Adolf Hitlers, Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der NSDAP, sowie Julius Streicher, Herausgeber des nationalsozialistischen Hetzblattes „Der Stürmer". Im oberen Drittel des Bildes dargestellt ist eine riesige Ansammlung von Männern. Die Menge ist so groß, sie ist nicht bezifferbar. Deutlich sind die Männer an ihren Uniformen als Nationalsozialisten zu erkennen. „SE JUZCA A 24 DELINCUENTES DE GUERRA. Y A LOS DEMAS …?“, fragt empört der Karikaturist. Auf Deutsch: „24 Kriegsverbrecher vor Gericht. Und die anderen?“
Dargestellt sind hier die 24 angeklagten Hauptkriegsverbrecher, von denen 21 auf der Anklagebank des „Nürnberger Prozesses" 1945/46 saßen.
Olschwanger nach Berufsverbot in Peru
Geschaffen wurden die Zeichnungen von dem jüdischen Karikaturisten und Grafiker Robert Hans Olschwanger (1905–1998). In den 1920er-Jahren arbeitete er zunächst bei der „Frankfurter Zeitung“. 1935 erhielt er von den Nationalsozialisten Berufsverbot, 1939 emigrierte Olschwanger nach Peru. Von dort aus kommentierte er als Karikaturist mit spitzer Feder das politische Weltgeschehen für die wichtigsten peruanischen Tageszeitungen. Erst als es Ende der 1960er-Jahre in Peru zu politischen Unruhen kam, kehrte der Künstler 1970 mit seiner Familie nach Deutschland zurück und ließ sich in Köln nieder. Dort arbeitete er bis in die 1990er-Jahre weiter als Werbegrafiker und Karikaturist. Auf der virtuellen Ausstellungsplattform „Künste im Exil“ wurde am 21. Januar 2023 die Sonderausstellung „Robert Hans Olschwanger. Karikaturist im Exil“ online gestellt.
Der umfangreiche Nachlass des Künstlers befindet sich seit 2021 im Deutschen Exilarchiv 1933–1945 der Deutschen Nationalbibliothek. Er umfasst über 1.100 Zeichnungen, Karikaturen und Werbegrafiken, darüber hinaus auch Lebensdokumente sowie das Typoskript einer von Olschwanger in den 1970er-Jahren verfassten Ballade. Ausgewählte Arbeiten und Dokumente aus diesem umfangreichen Nachlass sind nun in der Sonderausstellung auf „Künste im Exil“ erstmals online zugänglich.
Digitalisate des Exilarchivs im Europeana-Portal
Seit 2023 sind die eindrucksvollen Aufnahmen des Fotografen Eric Schaal digital über die virtuelle Plattform Europeana verfügbar. Schaal fand 1936 Zuflucht in den USA, sein künstlerischer Nachlass liegt im Exilarchiv. Neben Schaals Werken sind auch die Digitalisate des Nachlasses des Schriftstellers Leo Perutz, die Zeitzeugeninterviews des Exilarchivs und die Ausgaben der Exilpresse nun Teil der Europeana und treffen dort auf neue Kontexte.
Hier geht’s zur virtuellen Sonderausstellung „Robert Hans Olschwanger. Karikaturist im Exil“.
Hier finden Sie die virtuelle Plattform Europeana, inklusive Nachlass des Schriftstellers Leo Perutz, die Zeitzeugeninterviews des Exilarchivs und die Ausgaben der Exilpresse.
Mehr Übersichtlichkeit: Neue Optik der HTML-Ausgabe des JOP-Services
Der direkte Link zum Volltext: Das ist wohl der Traum eines jeden online Recherchierenden. Die Verfügbarkeitsrecherche Journals Online & Print (JOP) macht’s im Idealfall möglich. JOP ist ein von der Zeitschriftendatenbank (ZDB) und der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) kostenfrei angebotener Webservice. Nach über zwanzig Jahren wurde das Design der HTML-Ausgabe von JOP grundlegend überarbeitet – die Anzeige wurde optimiert und die Funktionalität erweitert.
Doch wozu genau ist JOP in der Lage? Über den Linkingresolver kann ermittelt werden, ob in einer Institution eine bestimmte Zeitschrift oder ein Artikel in einer Zeitschrift online oder gedruckt verfügbar ist. Hierzu werden sowohl die EZB als auch die ZDB angefragt. Dabei werden über die EZB zusätzlich Open Access (OA)-Informationen über Unpaywall oder BASE (Bielefeld Academic Search Engine) ermittelt. Im besten Fall wird bei Onlineressourcen ein Direktlink zu einem Volltext zurückgeliefert. Die über JOP ermittelten Verfügbarkeitsinformationen können Institutionen direkt in ihre Datenbanken und Fachportale einbinden. Hierfür werden die entsprechenden Informationen in verschiedenen Formaten zur Verfügung gestellt.
Informationen auf einen Blick erfassbar
Das Design der HTML-Ausgabe von JOP wurde 2023 grundlegend überarbeitet und die Anzeige optimiert bzw. erweitert. Die verwendeten Icons wurden etwas angepasst. Zum einen wurde die Differenziertheit der Icons (gefüllt/ungefüllt) zuvor nicht wahrgenommen, zum anderen deckte das Icon, das einen Text wiedergibt, nicht alle in der ZDB vor Ort verfügbaren Ressourcentypen ab.
Die Anzeige der Verfügbarkeitsinformationen wurde übersichtlicher gestaltet; wo immer möglich wurde auf Wiederholungen von Informationen verzichtet. So werden Titel von Ressourcen, die mehrfach in einer Institution nachgewiesen werden, nur noch einfach angezeigt; die Verfügbarkeitsinformationen werden dem jeweiligen Titel eindeutig zugeordnet. Nachfolgende Screenshots zeigen hierfür ein Beispiel.
DNB
DNB
Im neuen Design befindet sich die Menüleiste nicht mehr oberhalb der Verfügbarkeitsinformationen, sondern ist über ein Burger-Menü erreichbar. Dadurch ist mehr Raum für die Verfügbarkeitsinformationen gegeben. Nachfolgende Abbildung zeigt das aufgeklappte Menü auf einer Seite mit Verfügbarkeitsangaben.
DNB
Das neue Design der HTML-Ausgabe ist selbstverständlich responsiv. Die Verfügbarkeitsinformationen können damit auf verschiedenen Endgeräten in unterschiedlicher Größe adäquat angezeigt werden.
Verbesserte Funktionen
Parallel zum Redesign der HMTL-Ausgabe wurden auch einige inhaltliche sowie funktionale Verbesserungen vorgenommen:
- Seit einigen Jahren weist der JOP-Service auch Verfügbarkeiten von Bibliotheken nach, die ihre Ressourcen ausschließlich in der ZDB pflegen. Mit der neuen Version erhalten diese Bibliotheken nun zusätzlich Open-Access-Informationen. Falls für die anfragende Bibliothek kein Bestandsnachweis in der ZDB gegeben ist, wird geprüft, ob eine freie Verfügbarkeit über die EZB ermittelt werden kann.
- Falls ein Titel ermittelt wird, verweist die URL des ZDB-Katalogs nicht mehr auf den entsprechenden Bestandsdatensatz der Bibliothek, sondern auf die ausführlichen Titelangaben. Hintergrund hierfür ist, dass die Bestandsangaben bereits durch die JOP-Informationen umfassend abgebildet werden. Die ausführlichen Angaben zum Titel bieten JOP-Nutzer*innen hingegen eine Zusatzinformation, da in JOP zum Titel lediglich eine Kurzinformation gegeben wird.
- In der HTML-Ausgabe werden in der Rubrik „Verfügbarkeit in anderer Institution“ zusätzlich zu Institutionen, die EZB- und ZDB-Teilnehmer sind, auch reine EZB-Bibliotheken angezeigt. Eine zusätzliche Erweiterung um bestandsbesitzende ZDB-Bibliotheken ist für die Zukunft geplant.
Hier finden Sie weitere Informationen zum JOP-Service!
Hier gelangen Sie zum Artikel über den zweiten gemeinsamen Service von EZB und ZBD – den EZB-ZDB-Datendienst.
Letzte Änderung:
04.06.2024