6 aus über 3 Millionen
Foto: DNB, Carl Götz
Bilderbücher und mehr: Der Vorlass von Rotraut Susanne Berner
2024 konnte das Deutsche Buch- und Schriftmuseum den Vorlass von Rotraut Susanne Berner (*1948) entgegennehmen. Berner zählt zu den bedeutendsten und erfolgreichsten Illustratorinnen und Autorinnen der Gegenwart – berühmt wurde sie vor allem durch ihre Kinderbücher.
In mehr als vierzig Ländern gehören ihre Bücher zum Inventar von Buchhandlungen und Kinderzimmern. Darunter befinden sich Longseller wie die „Wimmelbücher“ und die „Karlchen“-Reihe. Aber nicht nur rund einhundertfünfzig illustrierte Bilderbücher gehören zu ihrem Werk, sondern auch zahlreiche Gedichtbände, Romane und Sachbücher hat sie illustriert. So tragen etwa „Der Zahlenteufel“ von Hans Magnus Enzensberger oder der Gedichtband „Eines Nachts im Paradies“ mit Texten von Jürg Schubiger die unverwechselbare Handschrift von Berner.
Rund 5.400 Originalzeichnungen
Foto: DNB, Carl Götz
Der Vorlass von Rotraut Susanne Berner umfasst 110 Mappen und 20 Kartons mit umfangreichen Materialsammlungen, unter anderem Vorzeichnungen und verworfene oder zensierte Illustrationen sowie Manuskripte zu den Büchern. Insgesamt ist mit dem Vorlass ein Bestand von rund 5.400 Originalzeichnungen in unterschiedlichen Techniken in das nationale Kulturgut aufgenommen worden. So finden sich neben Aquarell-, Buntstift- und Acrylfarben auch Collagen und Scherenschnitte sowie Flachdruckgrafiken in den Mappen.
Aber auch Korrespondenzen sind Teil des Vorlasses – zum Beispiel ein Schriftwechsel mit dem Illustrator Axel Scheffler. Dieser wurde durch den von ihm illustrierten Kinderbuchklassiker „Der Grüffelo“ weltbekannt. Der Bestand gewährt so auch Einblicke in Berufspraktiken und Kooperationen.
Erinnerungen ans brasilianische Exil: Die Kachelwand von Dora Schindel
Foto: DNB, Sylvia Asmus
Der Nachlass der Exilantin und Zeitzeugin Dora Schindel ist seit ihrem Tod im Jahr 2018 Teil des Deutschen Exilarchivs. Nun wurde er um ein ganz besonderes Objekt erweitert: Die Kachelwand, die im Außenbereich der „Casa Görgen“ in Bonn angebracht war, in der Dora Schindel und Hermann Görgen lebten. Sie zeigt den Zufluchtsort der beiden: Brasilien.
Brasilien – das war für Dora Schindel und Hermann Görgen ein besonderer Ort. Dorthin konnten sie 1941 mit einer Gruppe von 48 gefährdeten Personen emigrieren, der sogenannten Gruppe Görgen. Zu ihnen gehörten unter anderem der spätere erste Ministerpräsident des Saarlandes, Johannes Hoffmann, der Biologe Alfred Goldschmidt, der Publizist Walter Kreiser, der Schriftsteller Ulrich Becher und der Musiker Georg Wassermann. Schindel musste als Jüdin nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ihre Heimat verlassen. Gemeinsam mit Görgen ermöglichte sie der Gruppe die Ausreise.
Einmal Brasilien – und zurück
Da die restriktiven Einreisebestimmungen Brasiliens Landwirte, Handwerker und Techniker bevorzugten, firmierte die Gruppe als Technikerteam. Über Frankreich, Spanien und Portugal gelangte sie im April 1941 per Schiff nach Brasilien. Dort baute sie in Juiz de Fora die Fabrik Indústrias Técnicas Ltd. auf. Dora Schindel übernahm die kaufmännische Betreuung. 1955 kehrte sie in die Bundesrepublik zurück und ließ sich in Bonn nieder, wo sie Hermann Görgen, der in den Bundestag gewählt worden war, als Assistentin unterstützte. Gemeinsam gründeten sie 1960 die Deutsch-Brasilianische Gesellschaft. Nach dem Tod von Dora Schindel im Jahr 2018 wurde die Wand abgenommen und ist nun Teil ihres Nachlasses.
Eine besondere Fotokamera: Das Archiv der Familie Goldsmith-Baum im Exilarchiv
Dem Exilarchiv wurde 2024 ein besonderer Bestand aus Familienbesitz anvertraut: Das Archiv der Familie Mac Goldsmith und Fred Baum. Es enthält neben Familienkorrespondenzen, Lebensdokumenten und Familienfotos auch eine Fotokamera.
Nachdem Mac Goldsmith unter den Nationalsozialisten jede berufliche Perspektive verwehrt wurde, plante das Ehepaar Mac und Ruth Goldsmith schon kurz nach ihrer Hochzeit 1936 die Emigration – Fred Baum, der Bruder von Ruth, war bereits 1936 in die USA ausgewandert. Die Kamera, die 1936 von Zeiss Ikon auf den Markt gebrachte Contax III, hatte für das Ehepaar eine doppelte Bedeutung: Sie diente zum Fotografieren und war zugleich ein beweglicher Wertgegenstand. Sie begleitete die Goldsmiths 1937 auf ihrer Flucht über die Schweiz und die Niederlande nach Großbritannien.
Ein erfolgreicher Ingenieur in der Autoindustrie
Foto: Alexander Paul Englert
Mit seinen patentierten standardisierten Motorteilen und Fahrzeugkupplungen war der hessische Ingenieur Mac Goldsmith zuvor sehr erfolgreich. Seit 1925 betrieb er ein Konstruktionsbüro in Frankfurt. Dieses war darauf spezialisiert, internationale technische Neuerungen im Kraftfahrzeugbereich weiterzuentwickeln und für den deutschen Markt anzupassen. In fast allen deutschen Fahrzeugmodellen wurden von ihm patentierte Motorteile und Kupplungen verbaut. An deren Vertrieb war er als Partner im Unternehmen „Fichtel und Sachs“ beteiligt. 1934 gehörte er außerdem zu den Gründern der Firma „Metallgummi“. Alle Firmen und Beteiligungen musste er jedoch zwangsweise und weit unter Wert verkaufen. Der Erlös wurde durch staatliche Sonderabgaben weiter geschmälert.
Nach seiner Flucht konnte Mac Goldsmith sein Unternehmen im britischen Leicester wieder neu aufbauen. Mit den ihm verbliebenen Patenten entwickelte er seine Innovationen weiter, die im Zweiten Weltkrieg in Schiffen und Flugzeugen der Alliierten verbaut wurden.
Neue Schenkung: Stammbuch aus dem 17. Jahrhundert aus Zittau
Foto: DNB, Bettina Rüdiger
2024 konnte das Deutsche Buch- und Schriftmuseum ein besonderes Dokument erwerben: Ein Stammbuch mit Eintragungen aus der Zeit von 1612 bis 1635. Es gehörte Theophilus Michaelis, einem bisher nicht näher bestimmten Bürger der Stadt Zittau.
Solche alten Stammbücher sind selten. Aus ihnen lassen sich personen- und zeitgeschichtliche Informationen gewinnen. Das Stammbuch enthält 41 Eintragungen, vor allem von böhmischen und deutschen Adligen und Bürger*innen. Außerdem findet sich darin Buchmalerei: 22 gemalte Adelswappen (Gouachen) sind darin zu sehen, 7 Miniaturen unbekannter Maler*innen und eine Bleistiftvorzeichnung für eine Miniatur.
Recherchen zur Herkunft noch nicht final abgeschlossen
Die Herkunft (Provenienz) des Stammbuches ist ab dem 19. Jahrhundert recht gut nachvollziehbar. Sie führt von der Sammlung des Historikers Dr. Back in Altenburg über die berühmte Sammlung des Wappenkundlers Friedrich Warnecke und nach dessen Tod in den deutschen und schweizerischen Antiquariats- und Auktionshandel. Mitte der 1950er Jahre kam das Stammbuch schließlich in Privatbesitz. Von dort gelangte es nun als Schenkung in die Deutsche Nationalbibliothek.
Allerdings konnte noch nicht die gesamte Provenienzfolge zweifelsfrei geklärt werden. In den 1920er und 1930er Jahren waren auch jüdische Antiquare am Handel mit dem Stammbuch beteiligt. Daher gibt es im Schenkungsvertrag auch eine Vorbehaltsklausel. Wenn im Verlauf der Provenienzrecherchen ein NS-Unrechtskontext sichtbar wird, kann die Deutsche Nationalbibliothek das Buch an die rechtmäßigen Besitzer*innen oder ihre Erb*innen zurückgeben.
Die Recherchen werden im Portalkatalog der DNB dokumentiert: https://d-nb.info/1341435059 und an das Repertorium Alborum Amicorum (RAA) gemeldet. Das RAA ist ein Verzeichnis aller bekannten Stammbücher im deutschen Raum.
NS-Raubgut an die Erb*innen von Heinrich Glanz zurückgegeben
Im Juni 2024 hat die Deutsche Nationalbibliothek einen als NS-Raubgut identifizierten Band an die Erb*innen zurückgegeben. Das Werk des Autors David Asriel stammte aus dem ehemaligen Besitz des Wiener Verlegers Heinrich Glanz.
Auf dem Titelblatt befindet sich eine handschriftliche Widmung des Autors: „Herrn Dr. Heinrich Glanz vom Verfasser ing. David H. Asriel“. Dadurch war es möglich, den früheren Besitzer zu identifizieren.
Auf Anordnung der Gestapo geschlossen
Foto: DNB, Emily Löffler
Heinrich Glanz (1891-1958) stammte aus einer jüdischen Familie. Der promovierte Jurist arbeitete als Religionslehrer sowie Verlagsvertreter für jüdische Kleinverlage. 1927 eröffnete er eine auf Hebraica und Judaica spezialisierte Verlagsbuchhandlung. Unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 musste er den Verlag auf Anordnung der Gestapo hin schließen. Das Verlagslager wurde vermutlich von der Gestapo geräumt und im September 1938 der Bücherverwertungsstelle Wien übergeben. Die Bücherverwertungsstelle war vom Reichspropagandaamt Wien eingerichtet worden, um beschlagnahmte Buchbestände aus Buchhandlungen, Verlagen und Privatbibliotheken zu sortieren und an Bibliotheken im Deutschen Reich zu verteilen. Von dort gelangte das Buch 1939 in den Bestand der Deutschen Bücherei Leipzig.
Heinrich Glanz und seine Ehefrau Selma Glanz (1893-1985) konnten 1938 zunächst nach London und zwei Jahre später nach New York emigrieren. Die Suche nach den Erb*innen von Heinrich und Selma Glanz erfolgte mit Unterstützung des Holocaust Claims Processing Office, das den Kontakt zur Erb*innengemeinschaft vermittelte. Mit deren Einverständnis konnte die Deutsche Nationalbibliothek den Band vor der Rückgabe digitalisieren und so für den Bibliotheksbestand digital erhalten.
Link zum Digitalisat: https://d-nb.info/1290610940
Im Zuge der Bodenreform enteignet: Restitution an die Stolberg-Wernigerodesche Bibliothek
Der Band von Heinrich Glanz war nicht das einzige Werk, das 2024 erfolgreich restituiert wurde. Das Deutsche Buch- und Schriftmuseum identifizierte außerdem drei Bände aus der Fürst zu Stolberg-Wernigerodeschen Bibliothek und gab sie zurück. Diese waren 1948 im Zuge der Bodenreform enteignet worden.
Seit 2022 untersucht die Staatsbibliothek zu Berlin die Verkaufswege des 1959 gegründeten Zentralantiquariats der DDR. Das Kooperationsprojekt mit der Deutschen Nationalbibliothek wird vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert. Untersucht wird die Herkunft von Buchbeständen, die das Zentralantiquariat an DDR-Bibliotheken oder in die Bundesrepublik verkaufte, darunter auch Fälle von NS-Raubgut und Bodenreformgut. In den Erwerbungen des Deutschen Buch- und Schriftmuseums beim Zentralantiquariat konnten jetzt drei Bände aus der Stolberg-Wernigerodeschen Bibliothek identifiziert werden.
Eine der großen Adelsbibliotheken
Foto: DNB, Carl Götz
Die Bibliothek zählte zu den großen Adelsbibliotheken und umfasste in den 1920er Jahren über 130.000 Bände. Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten musste das Fürstenhaus zwischen 1928 und 1933 über 31.000 Bände verkaufen. 1946 transportierten sowjetische Trophäenbrigaden rund 50.000 Bände in die Sowjetunion. Der verbliebene Bestand wurde 1948 im Zuge der Bodenreform enteignet und in die Universitäts- und Landesbibliothek Halle überführt – so auch drei Bände, die das Deutsche Buch- und Schriftmuseum zwischen 1977 und 1987 vom Zentralantiquariat erworben hat. Sie weisen neben den Stempeln der Gräflich Stolbergischen Bibliothek auch Dublettenvermerke der Bibliothek Halle auf. Diese deuten darauf hin, dass die Bände zwar in Halle gesichtet, nicht jedoch in den Bestand aufgenommen wurden. Vermutlich gelangten sie von dort in das Zentralantiquariat.
Für die im Zuge der Bodenreform enteigneten Bücher gelten die Regelungen des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes von 1994. Die drei Bände wurden im Oktober 2024 an die Stolberg-Wernigerodesche Bibliothek zurückgegeben und sind dort öffentlich zugänglich. Mit dem Einverständnis von Philipp Fürst zu Stolberg-Wernigerode wurden die Werke vor der Rückgabe digitalisiert, sodass sie dem Deutschen Buch- und Schriftmuseum und damit der Öffentlichkeit in digitaler Form erhalten bleiben.
Sammlungen für die Ewigkeit erhalten
Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt nicht nur, sie sorgt auch dafür, dass die Bestände erhalten bleiben. Konservatorische Arbeiten gehören daher zu ihren Kernaufgaben. Auch im letzten Jahr wurde wieder viel an der Erhaltung der Bestände gearbeitet. Im Zuge der Baumaßnahmen in den Lesesälen wurden beispielsweise alle dort einsehbaren Bestände konservatorisch bearbeitet. Schäden an Einbänden und Buchblöcken wurden behoben und fest verklebte Folienumschläge und alte Signaturschilder auf empfindlichen Einbandmaterialien wurden entfernt: Insgesamt 330 Bände wurden auf diese Weise restauriert.
Archivgerechte Lagerung und Reinigung
Mikrobiell oder durch Insekten befallen: 770 Medienwerke mit Holzmodeln, Grafiken, Buntpapieren oder historischen Tonträgern kamen 2024 für acht Wochen in Quarantäne. Anschließend wurden sie intensiv gereinigt. An rund 1.000 Medienwerken wurden außerdem Oberflächen-pH-Messungen vorgenommen.
Letzte Änderung:
18.06.2025