Lernen, erinnern, diskutieren: Dr. Sylvia Asmus und Dr. Stephanie Jacobs über Vermittlungsarbeit 2024

Portaits von Dr. Sylvia Asmus (auf der linken Seite) und Dr. Stephanie Jacobs (auf der rechten Seite) Foto: DNB, Stephan Jockel; punctum

Frau Asmus und Frau Jacobs, das Deutsche Buch- und Schriftmuseum und das Deutsche Exilarchiv spielen für die Vermittlungsarbeit der Deutschen Nationalbibliothek eine zentrale Rolle. Was bedeutet Vermittlungsarbeit und worum geht es dabei?

Sylvia Asmus: Unsere Aufgabe ist es, Menschen zur Auseinandersetzung mit Themen einzuladen und aus der Vergangenheit für die Gegenwart zu lernen. Hier im Deutschen Exilarchiv behandeln wir über Exil und Nationalsozialismus hinaus Themen wie Antisemitismus, Rassismus und Ausschluss – und reflektieren auch, wie sie mehrheitsfähig werden. Und dabei denken wir natürlich auch über das Gegenteil nach: Was bedeutet eine offene Gesellschaft? Was ist Meinungsfreiheit? Was stärkt oder gefährdet Demokratien? Es geht um grundlegende Werte. Wir verstehen uns als Ort der Auseinandersetzung, des Aushandelns und des kritischen Hinterfragens. Wir haben bei unseren Vermittlungsformaten in letzter Zeit dem Austausch und der Partizipation viel mehr Raum gegeben.

Stephanie Jacobs: Daran kann ich gut anknüpfen. Bei euch ist es dieses wichtige Thema Exilerfahrung. Bei uns ist es die Menschheitsgeschichte der Medien, von den Anfängen der Schriftlichkeit vor ca. 5.000 Jahren bis hin zu den aktuellen Fragen nach der Zukunft der Medien. Ein Thema mit gesellschaftlichem Sprengstoff – man denke nur an die Wirkmacht digitaler Fake News. Hier ist die Vermittlungsarbeit eine Frage von gesellschaftlicher Daseinsberechtigung: Es geht um die Rolle von Gedächtniseinrichtungen in aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen. Denn 5.000 Jahre Mediengeschichte – das ist im Kern eine lange Geschichte von Meinungsfreiheit und Zensur.

Wir als Museum müssen, nein: wir dürfen in diesem Kontext ein neutraler Ort für das Aushandeln von Positionen sein. Auch von Positionen, die ausdrücklich weh tun. Dadurch unterstützen wir Menschen dabei, Orientierung zu finden, ihre Perspektiven zu teilen und voneinander zu lernen. Das ist herausfordernd, denn solche Konfrontationen erfordern Fähigkeiten, die nicht immer selbstverständlich sind.

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„Wir müssen ein neutraler Ort für das Aushandeln von Positionen sein. Auch von Positionen, die ausdrücklich weh tun.“

Dr. Stephanie Jacobs Leiterin Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Frau Dr. Asmus, Sie sind die Direktorin des Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der DNB in Frankfurt. 2024 feierte das Exilarchiv sein 75. Jubiläum. können Sie uns kurz sagen, was das Exilarchiv ist?

Sylvia Asmus: Das Deutsche Exilarchiv ist eine der ältesten Institutionen zu diesem Themenfeld. Den Impuls zur Gründung damals gaben Exilierte selbst, zusammen mit dem damaligen Direktor der heutigen DNB. Das war in diesen frühen Nachkriegsjahren außergewöhnlich, eine solche Einrichtung in Deutschland zu gründen.  

Von Beginn an gab es zwei Ziele. Es sollte ein umfassendes Archiv zum deutschsprachigen Exil nach 1933 entstehen. Das haben wir mit unser umfangreichen Sammlung an Exilpublikationen, den zahlreichen persönlichen Nachlässen und Beständen institutioneller Provenienz erreicht – und die Sammlung wächst weiter an. Zum anderen wollte man mit dieser Institution Exilarchiv in die Gesellschaft hineinwirken und aufklären. „Nie wieder“ ist von Beginn an der Auftrag gewesen. Heute, 75 Jahre später, ist das unverändert wichtig. Wir haben unser Themenfeld zudem auf gegenwärtige Exile ausgeweitet und geben in vielen Veranstaltungen und Ausstellungen Menschen Raum, die heute in Deutschland im Exil leben. Wir verstehen das Exilarchiv als Anlaufstelle für Forschende und als Ort der Auseinandersetzung mit den Themen Exil, Migration, Antisemitismus und Rassismus.

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„"Nie wieder" ist von Beginn an der Auftrag gewesen.“

Dr. Sylvia Asmus Leiterin Deutsches Exilarchiv

Im Dezember 2024 wurde die Dauerausstellung „Exil. Erfahrung und Zeugnis“ wiedereröffnet. Was kann man dort sehen und was ist neu?

Sylvia Asmus: In der Ausstellung erfahren Besucher*innen, was es bedeutet, ins Exil zu gehen – sein Land verlassen und irgendwo neu anfangen zu müssen. Mit der Überarbeitung 2024 haben wir neue Exponate, neue Themen und Installationen in die Ausstellung aufgenommen und externen Perspektiven Raum gegeben. Zum Beispiel mit der Inszenierung des Romans „Der Reisende“ von Ulrich Alexander Boschwitz. Besucher*innen tauchen durch eine Video- und Soundinstallation des Theaterkollektivs „Auricle“ in die Geschichte des jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann ein und erleben seine Flucht mit. Thema der Ausstellung ist nun auch das Exil in Deutschland heute, das wir mit der berührungssensitiven Installation „Was bleibt“ von Yael Reuveny und Clemens Walter darstellen. Dafür haben Menschen, die in ihren Herkunftsländer verfolgt wurden und in Deutschland Aufnahme gefunden haben, ihre Erinnerungen mit uns geteilt.

Zudem berichten Vertreter*innen der zweiten und dritten Generation, welche Bedeutung das Exil ihrer Vorfahren für sie heute noch hat. Damit schlägt die Ausstellung auf unterschiedliche Weise Brücken zur Gegenwart. Und Besucher*innen können mit den Inhalten interagieren, zum Beispiel durch Live-Abstimmungen zu aktuellen Fragen zum Thema Exil. 

Franziska Augstein mit einem Mikro in der Hand vor Publikum Foto: DNB, Johanna Baschke

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Die Autorin Franziska Augstein las in einer Kooperationsveranstaltung mit dem dtv im Rahmen von „Leipzig liest“ aus ihrer Biografie über Winston Churchill. Zwei Wochen später stellte sie ihr Buch auch noch im Frankfurter Haus vor.


Seit September 2023 gibt es im Exilarchiv auch eine ganz besondere Ausstellung: Digital und interaktiv kann man sich hier mit zwei echten Zeitzeugen unterhalten! War die Ausstellung 2024 gut besucht?

Sylvia Asmus: Die Ausstellung „Frag nach!“ ist den zwei Holocaust-Überlebenden Inge Auerbacher und Kurt Salomon Maier gewidmet. Wir haben mit beiden sehr ausführliche Interviews geführt, aus denen nun die digitalen interaktiven Zeitzeugnisse entstanden sind. Eingebettet sind diese in eine kontextualisierende Ausstellung. „Frag nach!“ wird sehr gut besucht. Schulen aus dem Frankfurter Raum kommen zu uns und stellen ihre Fragen direkt an die digitalen Zeitzeug*innen und erarbeiten sich in Workshops die Inhalte der Ausstellung. Zusätzlich bieten wir auch eine mobile Variante an. Mit dieser waren wir an 30 Orten in Deutschland unterwegs. Und es geht weiter! Aufgrund des großen Interesses werden wir die Ausstellung hier in der DNB bis 2027 verlängern.

Im Deutschen Exilarchiv gibt es auch immer wieder Veranstaltungen, so zum Beispiel die Vortragsreihe „Friedman fragt“ mit dem Publizisten Michel Friedman. Über welche Fragen hat Herr Friedmann 2024 mit seinen Gästen diskutiert?

Sylvia Asmus: Die Reihe mit Michel Friedmann hat den Untertitel „Die Gegenwart des Exils“ – und genau das ist unser gemeinsames Thema. Bei jeder Veranstaltung stelle ich als Impuls ein Exponat aus unserer Sammlung vor und leite daraus eine Frage für die Gegenwart ab. Über diese Frage diskutiert Michel Friedmann dann mit dem Gast des Abends – und das sind immer interessante Menschen und spannende Gespräche.

Michel Friedmann im Gespräch mit Prof. Dr. Michael Wolffsohn Foto: Alexander Paul Englert

Bei der zweiten Veranstaltung im September war Michael Wolffsohn unser Gast. Er ist Historiker, Publizist und Professor für neuere Geschichte. Die Leitfrage des Abends war: Müssen wir wieder emigrieren? Das ist ein Zitat des Schriftstellers Heinz Liepman, dessen Nachlass im Exilarchiv liegt. Er war in die USA emigriert und ist nach 1945 nach Deutschland zurückgekehrt. In den 60er Jahren hat er diese Frage formuliert, weil er Antisemitismus in Deutschland unerträglich fand. Liepman selbst hat für sich die Frage mit „Ja“ beantwortet und ist in die Schweiz gegangen. Wir haben also davon ausgehend diskutiert, wie es heute für Jüdinnen und Juden in Deutschland aussieht. Das war ein sehr nachdenklich stimmender Abend.

Die Veranstaltung hat in unserem großen Saal mit 370 Plätzen stattgefunden. Und trotzdem wurde es da sehr still. Oft bleiben die Besucher*innen im Anschluss an die Diskussionen auch noch zusammenstehen und diskutieren weiter.

Auch eine Crowdsourcing-Initiative hat es 2024 gegeben! Was hatte es mit der #everynamecounts-Challenge auf sich?

Sylvia Asmus: Das Projekt „everynamecounts – Reichsausbürgerungskartei“ war eine Kooperation mit den Arolsen Archives und ein Citizen-Science-Projekt. Ab Juli 1933 entzogen die Nationalsozialisten zehntausenden Menschen auf Grundlage des sogenannten Ausbürgerungsgesetzes die deutsche Staatsbürgerschaft – betroffen waren vor allem Jüdinnen und Juden sowie politische Gegner*innen. Die Namen der Ausgebürgerten wurden im „Deutschen Reichsanzeiger“ veröffentlicht. Ab 1938 fassten die Behörden die Daten in einer zentralen Ausbürgerungskartei zusammen, die als Nachschlagewerk für Ämter und Institutionen diente. Auch die damalige Deutsche Bücherei (heute Deutsche Nationalbibliothek) erhielt ein Exemplar dieser Kartei, das heute Teil unserer Sammlung ist. Insgesamt umfasst sie über 36.000 Karten mit Angaben zu Namen, Geburtsdaten, Berufen und letzten Wohnsitzen der Betroffenen.

Im Rahmen der „everynamecounts“-Challenge haben mehr als 12.000 Freiwillige diese Informationen innerhalb kürzester Zeit in einer Datenbank erfasst. Das große Engagement zeigt, wie wichtig vielen Menschen die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist und wie bereitwillig sie sich für Erinnerung und Forschung einsetzen!

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„Das zeigt, wie viele Menschen die Auseinandersetzung mit Geschichte wichtig finden und bereit sind, sich zu engagieren!“

Dr. Sylvia Asmus Leiterin Deutsches Exilarchiv

Wenn die Daten in unsere Systeme überführt sind, kann man sie auswerten und mit ihnen arbeiten. Und dann wieder neue Erkenntnisse daraus gewinnen.

Frau Dr. Jacobs, Sie leiten das Deutsche Buch- und Schriftmuseum in Leipzig. Was kann man dort sehen?

Stephanie Jacobs: Unser Museum – übrigens das weltweit älteste Buchmuseum – erzählt in einem großen historischen Bogen eine Menschheitsgeschichte der Medien, von den Anfängen der schriftlichen Kultur – hier zeigen wir frühe Kommunikationsmedien, z.B. Kerbhölzer und Muschelketten – bis zur Frage nach der Zukunft der Medien. Erzählt wird die Mediengeschichte als eine Geschichte der Emanzipation und der Meinungsfreiheit. Tatsächlich sind wir aber viel mehr als ein Buch-Museum.

Wir erzählen eine Geschichte von Medienrevolutionen, in der die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert eine ebenso wichtige Rolle spielt wie die Medienkonkurrenz im 20. und 21. Jahrhundert – Radio, Film, Fernsehen, digitale Vernetzung, DNA-Speicher. Die digitalen Medien und Plattformen werfen viele Fragen auf, zu deren Beantwortung ein Blick in die lange Mediengeschichte nützlich ist: Was sind Fake News? Wie können digitale Medien missbraucht werden? Welche Rolle spielen sie bei der Mobilisierung der Bevölkerung, beispielsweise für den Arabischen Frühling? Der digitale Alltag ist eine große Herausforderung für die Medienkompetenz, ein Thema, das mir auch persönlich sehr am Herzen liegt. Wie befähigen wir Kinder und Jugendliche, aber auch z.B. Wähler*innen, Desinformation und Manipulation zu erkennen. Es gibt in der Gesellschaft insgesamt Ängste und Vorbehalte gegenüber den digitalen Medien. Da können und müssen wir Aufklärung leisten. Aber wir zeigen auch die Wucht und Wirksamkeit analoger Medien, wenn wir etwa Protestplakate mutiger iranischer Frauen präsentieren.

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„Es gibt in der Gesellschaft insgesamt Ängste und Vorbehalte gegenüber den digitalen Medien. Da können und müssen wir Aufklärung leisten.“

Dr. Stephanie Jacobs Leiterin Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Sie beschäftigen sich nicht nur mit Schrift, sondern auch mit Musik. Im vergangenen Jahr haben Sie ein besonderes Event ausgerichtet, ein Jazz-Festival zum 35. Jahrestag der friedlichen Revolution. Musik also als Medium des Protests?

Stephanie Jacobs: Ganz genau. Erstmal denkt man ja an das geschriebene Wort oder das gesprochene – oder auch an Bilder. Musik ist eher weniger auf dem Schirm, wenn wir an Proteste denken, dabei ist das so naheliegend! Unter dem Titel „Störenfriede. Jazz, Protest  & Revolution“ haben wir einen, wie ich finde, recht inspirierenden Zugang zur Erinnerung an das Ende der DDR angeboten. Der ganz konkrete Anknüpfungspunkt war die Übernahme des Archivs eines Free Jazz Festivals, das entgegen aller Versuche, es zu verbieten, über zehn Jahre in der DDR stattgefunden hat – in einem Dorf im Osten der Lausitz, also wirklich im hintersten Winkel der Republik: Die Jazzwerkstatt Peitz. Dorthin haben aufmüpfige Jugendliche den internationalen Jazz geholt, heißt: durchaus auch internationale Musiker. Die sind zum Teil mit anderen Identitäten eingereist. Es gibt da wilde Geschichten. Bis zu 4.000 Jazzbegeisterte, aber auch Menschen, die die Nase von der staatlich verordneten Kultur voll hatten, sind in Peitz zusammengekommen. Natürlich hat die Stasi das beobachtet, konnte aber lange nichts ausrichten. Es gibt ja nicht einmal Texte, die man als staatszersetzend hätte brandmarken können. 1982 ist das Festival dann doch verboten worden.

Wir haben also im September 2024 mit dem dreitägigen Festival „Störenfriede: Kunst, Protest und Revolution“ an den Mut der Widerständigen erinnert. Das Festival war als Bildungsveranstaltung aufgesetzt. Dafür hatten wir wichtige Partner, die die Veranstaltung auch finanziert haben: die Bundeszentrale für politische Bildung und die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte. Es gab mehrere Diskussionsveranstaltungen zur Aktualität von Protestbewegungen. Der Bundespräsident hat ein Grußwort gesprochen, in dem er sich als Störenfried vorgestellt hat – und als Jazz-Enthusiast! Im Ergebnis hatten wir eine erfolgreiche und sehr sinnliche Veranstaltung – und auch großen Spaß. Zugleich war das Jazzfestival der Auftakt unserer auf zwei Jahre angelegten Reihe „Mediengeschichte des Protests“.



Seit 2024 hat das Deutsche Buch- und Schriftmuseum auch einen eigenen Podcast! Worum geht es in „Augenrausch“ und wie wurden die ersten Folgen angenommen?

Stephanie Jacobs: „Augenrausch“ ist tatsächlich der erste Podcast der DNB. Er thematisiert das Medium Bild als Wissensressource. Wir haben ja weltberühmte Comic-Zeichner*innen und Illustrator*innen im Bestand, aber auch Newcomer*innen. Bei der 2024 veröffentlichten ersten Staffel haben wir beispielsweise mit den Kinderbuchautor*innen Axel Scheffler und Rotraut Susanne Berner gearbeitet. Das Bild als Wissensressource, sein wissenschaftliches Potenzial und unsere Rolle dabei – das hat viel Potenzial. Wir hoffen, dass irgendwann wieder Mittel bereitstehen, um auch die 2. und 3. Staffel von „Augenrausch“ zu realisieren.

Auch eine Spotify-Playlist ist seit 2024 neu im Portfolio des Deutschen Buch- und Schriftmuseums. Was ist das für eine Playlist und wie kam es dazu?

Stephanie Jacobs: Die Playlist ist praktisch nebenher entstanden. Eine Kollegin hatte die Idee. Sie meinte, sie kenne so viele Lieder, die zur Mediengeschichte passen. Viele Kolleg*innen haben mitgemacht. Im Handumdrehen waren mehr als 200 Titel da: Lieder, Chansons, Rock, alles war dabei. Und die Menschen haben darüber gesprochen. Die Playlist kann man über Spotify und bei Apple Music anhören. Oder an einer Hörstation im Musikarchiv, mit dem wir hierfür auch zusammengearbeitet haben.

Wir machen gute Erfahrungen damit, etablierte Vermittlungsformen mit unseren Inhalten zu füllen. Geocaching zum Beispiel: Spurensuche. Das mag jedes Kind und offenbar auch viele Erwachsene. Wir nutzen Geocache, um auf einen unserer wichtigsten Nachlässe aufmerksam zu machen. Das kommt an. Schnitzeljagd und Escape Room genauso. Wir bieten auch Museumsbingo. Damit erreichen wir ganz neue Gruppen. Bingo-Vereine kommen regelmäßig zu einem Bingo-Abend ins Haus, verhandeln dabei spielerisch unsere Themen und haben Spaß dabei. Auch das war übrigens die Idee eines Kollegen – wir müssen den vielen Talenten, die wir im Haus haben, noch viel mehr Raum für ihre Ideen geben. Wir erreichen damit noch mehr Menschen.

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„Die Zukunft der Vermittlungsarbeit liegt in Partizipation und Inklusion – hier ist noch Luft nach oben, packen wir’s gemeinsam an!“

Dr. Stephanie Jacobs Leiterin Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Man kann die DNB auch eigenständig besuchen. Mit der AppActionbound“ setzen Sie digitale Touren um. Was kann die App und wie wird sie an der DNB eingesetzt?

Stephanie Jacobs: Actionbound ist eine digitale Bildungs-Schnitzeljagd. Es ist ein wirklich niedrigschwelliges Angebot. Mit Actionbound kann man die DNB auf eigene Faust und ohne klassische Führung entdecken. Man muss in der App Fragen beantworten – das triggert die Neugier. Inzwischen gibt es die Schnitzeljagd für unterschiedlichste Bereiche der DNB und zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten: Architektur, Hidden Places oder auch in der Dauerausstellung in unserem Haus.

Sie beide waren im letzten Jahr für die DNB auf dem Schiff MS Wissenschaft unterwegs. Was hat es damit auf sich?

Sylvia Asmus: Die MS Wissenschaft ist ein Ausstellungsschiff, das im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung jedes Jahr durch Deutschland tourt. 2024 stand es unter dem Motto „Vom Wert der Freiheit“. Da passt die Arbeit der DNB natürlich gut hinein. Das Exilarchiv zeigte mit seiner interaktiven Installation auf der MS Wissenschaft, welche Gefahren demokratische Rechte und Freiheiten bedrohen können. Es erinnerte so an den Wert demokratischer Grundrechte, die wir ja viel zu oft als selbstverständlich ansehen. In Workshops haben wir die Besucher*innen dazu eingeladen, sich selbst zu befragen: Welche Freiheiten sind mir besonders wichtig? Was kann ich tun, um Freiheit zu schützen? Und was bedeutet Freiheit überhaupt?

Stephanie Jacobs: Wir waren mit Themen und Ausstellungselementen vor Ort, die wir auch anderswo in diesem Jahr eingesetzt haben: die Störenfriede beispielsweise und die Erfindung des Buchdrucks. Auch der Buchdruck war ja im Grunde eine Freiheits- und Demokratisierungsmaschine: Das Wissen ist befreit worden aus den klösterlichen Schreibstuben. Von da an waren Flugblätter möglich, ein echtes Freiheitsmedium! Und wir haben eine Ausstellung zum Grundgesetz und seiner Rezeptionsgeschichte beigesteuert. Es war toll zu sehen, wie sich Kinder und Jugendliche auf dem Schiff mit dem Grundgesetz auseinandersetzen.

Die Schiffstour hatte 54.000 Besucher*innen. Das erreichen wir auf unseren herkömmlichen Wegen so schnell nicht.

Sylvia Asmus: Jede Station, also auch die von der DNB beigesteuerten Themen, sind Teil einer großen Ausstellung. Auf diese Weise ergibt sich eine Vielfalt an Perspektiven auf das gemeinsame Thema. Die MS Wissenschaft ist wirklich eine tolle Sache.

Sie haben jetzt mehrfach Angebote angesprochen, die in Kooperation mit einer anderen Organisation entstanden sind. Wie wichtig sind Kooperationen für Ihre Arbeit?

Stephanie Jacobs: Es ginge gar nicht ohne! Kooperationen bringen uns einfach ein anderes Publikum, neue Zielgruppen, aber auch neue Ideen. Und neue Kraft.

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„Kooperationen bringen uns einfach ein anderes Publikum, neue Zielgruppen, aber auch neue Ideen.“

Dr. Stephanie Jacobs Leiterin Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Sylvia Asmus: Ohne Kooperation ist unsere Arbeit gar nicht vorstellbar. Wir brauchen die Kooperation mit der Forschung und mit anderen Institutionen. Wir brauchen den Austausch von Perspektiven und Expertise.


Verschiedene Aufsteller vor dem Eingang der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main bei Abenddämmerung Foto: DNB, Josephine Kreutzer

Gemeinsam sichtbar: Im Jahr 2024 beteiligten sich beide Standorte der Deutschen Nationalbibliothek an der „Nacht der Museen“ und luden wie viele weitere Einrichtungen Leipziger*innen und Frankfurter*innen zur nächtlichen Erkundung.


Und noch eine letzte Frage an Sie beide: Die Vermittlungsarbeit der DNB entwickelt sich immer weiter – und wird immer innovativer. Wie verändern sich aktuell die Anforderungen an eine gelungene Vermittlungsarbeit?

Sylvia Asmus: In unseren neuen Strategischen Prioritäten geben wir als DNB der Vermittlung, der Stärkung demokratischer Werte und dem Engagement gegen Antisemitismus deutlich mehr Raum. Die Arbeit des Exilarchivs passt hier hervorragend hinein. Neben der inhaltlichen Ausrichtung setzen wir verstärkt auf neue partizipative und interaktive Formate, die unterschiedlichen Perspektiven Raum geben. Uns ist es wichtig, offen und mit vielen Menschen zu diskutieren und zugleich geschützte Räume zu schaffen, in denen sensible Themen angesprochen werden können. Für das Exilarchiv ist Verlässlichkeit ganz zentral: gegenüber den Familien, die uns ihre Dokumente anvertrauen, und als Akteur in der politischen und kulturellen Bildungsarbeit. Möglich wird das durch ein engagiertes, kreatives Team – an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine Kolleg*innen! Wichtig ist aber auch eine langfristige personelle und finanzielle Ausstattung, damit wir unsere Aufgaben erfüllen können.

Stephanie Jacobs: Ja, das kann ich unterstreichen. Da geht es uns genauso wie anderen Kultureinrichtungen. Wir müssen uns – auch das gehört zur gesellschaftlichen Verantwortung – darauf einstellen, in Zeiten angespannter Kassen mit geringen Budgets zu arbeiten, und das können wir auch. Vieles entsteht auch ohne große Geldsummen. Wir müssen es schaffen, mit weniger Geld mehr Menschen zu erreichen – mehr Outreach. Das kann auch Spaß machen, weil es das Zusammenarbeiten stärkt. Jenseits der Budgetfrage ist aber die Stärkung der Demokratie und des Rechtsstaats die Herausforderung schlechthin: Wissen schafft Demokratie ist das Motto. Als größter Wissensspeicher des Landes mit über 50 Millionen Medieneinheiten ist das unsere Verantwortung in einer Gesellschaft, die immer mehr Spaltung erlebt. Und dabei dürfen wir niemanden vergessen oder übersehen. Die Zukunft liegt dabei in Partizipation und Inklusion – hier ist noch Luft nach oben, packen wir’s gemeinsam an!

Letzte Änderung: 18.06.2025

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